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Eine Radtrasse durch den Dortmunder Westfalenpark:

Ein Kommentar zu einer IGA 2027 Idee Image © Visit Limburg Im Rahmen meines laufenden Forschungssemesters beschäftige ich mich mit der ökologischen Renaturierung und Restaurierung von Stadtlandschaften. Dies bietet mir unter anderem Gelegenheit nach über 30 Jahren (Wohn-)Abwesenheit genauer auf die nun weitestgehend abgeschlossene Renaturierung der Emscher sowie auf mehrere noch laufende und geplante Folgeprojekte…

Ein Kommentar zu einer IGA 2027 Idee

Image © Visit Limburg

Im Rahmen meines laufenden Forschungssemesters beschäftige ich mich mit der ökologischen Renaturierung und Restaurierung von Stadtlandschaften. Dies bietet mir unter anderem Gelegenheit nach über 30 Jahren (Wohn-)Abwesenheit genauer auf die nun weitestgehend abgeschlossene Renaturierung der Emscher sowie auf mehrere noch laufende und geplante Folgeprojekte der IBA Emscherpark zu gucken. Das Ruhrgebiet vermarktet sich weiterhin relativ erfolgreich als grüne, umwelt- und freizeitfreundliche ehemalige Stahl- und Bergbauregion, die ihre rostig-rußige Vergangenheit hinter sich gelassen hat und ehemalige Industriekultur vielerorts in Industrienatur verwandelt. Und die „Metropole Ruhr“ hat sich erfolgreich auf die Ausrichtung der Internationalen Gartenausstellung 2027 beworben. Unter dem Motto „Wie wollen wir morgen leben?“ fungieren an fünf Hauptstandorten sogenannte Zukunftsgärten als „essenzielle Impulsgeber.“ In Dortmund ist dies das Projekt „Emscher Nordwärts“ welches der renaturierten Emscher von der Innenstadt nordwärts folgt und sich vor allem um ein grüne Revitalisierung rund um das großflächige Areal der ehemaligen Kokerei Hansa bemüht.

In diesem Blog nehme ich allerdings stattdessen die sogenannte „Parkkreuz“ Initiative in Augenschein, welche die Stadt Dortmund unter der Kategorie „Unsere Gärten“ als eines von vielen Qualifizierungsprojekten zur Förderung eingereicht hat. Laut Internet hat die „Parkkreuz“ Idee zusammen mit 38 anderen Projekten die erste von drei notwendigen Stufen zur Qualifizierung überstanden. Genauere Informationen dazu, wie diese Projekte aus insgesamt 200 verschiedenen regionalen landschaftsgestalterischen, städtebaulichen oder touristischen Vorhaben ausgewählt wurden, findet sich auf der Internetseite der IGA.

Sowohl als gebürtige Dortmunderin mit tiefen Wurzeln in der Region als auch als international versierte Stadtplanerin und Professorin für Umweltstudien habe ich natürlich nie wirklich aufgehört, die spannenden strukturellen Veränderungen in meiner Heimatregion zu verfolgen. Weiterhin bin ich typischerweise mindestens ein bis zwei Mal im Jahr länger zu Besuch bei meiner Familie. Ich kenne mich also weiterhin ein bisschen aus. Und wann immer ich zurück in der Heimat bin, verbringe ich in der Regel ein bis zwei Stunden am Tag damit, die grünen Orte der Stadt laufend und radfahrend zu durchqueren – vor allem in der östlichen Innenstadt und den südlich davon gelegenen Stadtteilen. Das ist teils ethnografisches Forschen und teils Trainingsprogramm.

Da ich bei meinen Besuchen in der Regel bei meinem Vater im Kaiserviertel wohne bin ich dann besonders oft von dort in Richtung Süden unterwegs und empfinde den Westfalenpark somit eher als Barriere denn als Ressource, da ich als Gelegenheitsbesucherin keine Jahreskarte besitze und der Park ja für Radfahrer ohnehin nicht zugänglich ist.

Ich war daher sehr interessiert und erfreut, vom Projekt Parkkreuz im Rahmen der IGA 2027 zu erfahren. Gemäss der IGA 2027 Webseite beinhaltet die Initiative die Errichtung eines „zentralen Knotenpunkt[s] am historischen Gastronomiestandort Buschmühle, der neue Aufenthaltsqualitäten und Serviceangebote für Radreisende und Ausflügler entlang der Emscherpromenade schaffen soll.“ Viel spannender fand ich allerdings die nachfolgend erwähnte „Vision einer partiell begrünten Hochtrasse quer durch den Westfalenpark.“ Denn, so heißt es weiter, „die außergewöhnliche Verbindung zwischen City und Emscher-Weg könnte infrastrukturell wegweisende Akzente setzen.“ Mein Radfahrerherz fing sofort Feuer. Was für eine brilliante Idee! Leider gab es auf den entsprechenden Internetseiten so gut wie keine zusätzlichen Informationen zu dieser „Vision.“ Wie würde das funktionieren – und wo würde diese Trasse am besten verlaufen? Als ortskundige Radfahrerin war mir sofort klar, dass es eigentlich nur eine relativ kurze Strecke zu überwinden gilt, nämlich ungefähr die gleiche Länge, die die kleine Seilbahn vom Florianturm bis zur Buschmühle zurücklegt, d.h. lediglich einen halben Kilometer und 23 Meter Höhenunterschied.

Wie hoch müsste so eine Trasse sein? Wie sollte sie aussehen, damit sie innerhalb des Parks nicht als Barriere angesehen würde? Bei der Suche nach Vergleichsbeispielen stieß ich im Internet auf ein wunderbares Design im belgischen Limburg, das vor ein paar Jahren eine runde Radtrasse „in den Bäumen“ errichtet hat. Ein kurzes Video zu diesem Design findet sich hier und ein reich bebilderter (englischsprachlicher) Zeitschriftenartikel hier. Ein Google Maps Screenshot verdeutlicht, wie wunderbar sich die Trasse in die Umgegend einfügt – und wie durchlässig das Design auf der Grundebene innerhalb des Westfalenparks wäre (denn die untere Ebene ist ja nur die Zugangsrampe). Wer mehr über das Design und weitere Details dieses Projektes erfahren möchte, sollte sich auf der Webseite https://landezine-award.com/cycling-through-the-trees/ begeben, wo das preisgekrönte Projekt genauer vorgestellt wird. Das „Cycling Through the Trees“ Rondell ist nur 700 Meter lang und maximal 10 Meter hoch. Das Projekt hat angeblich 3.1 Millionen Euro gekostet. In der Dortmunder Version könnte die Trasse sicherlich auch noch etwas niedriger gebaut werden. Gemäß Internetinfos will die Stadt Dortmund allein 2 Millionen für das „Parkkreuz“ Projekt ausgeben. Es erscheint mir sehr viel sinnhafter, eine gegebenenfalls etwas höhere Summe in ein regional ernsthaft infrastrukturell bedeutendes Projekt zu investieren, das gleichzeitig eine hohe Design- und Erfahrungsqualität für Fußgänger, Jogger und vor allem Radfahrer haben würde, die aktuelle keine alternative Möglichkeit haben den Westfalenpark zu durchqueren und die somit von der Innenstadt aus immer auf eine ineffiziente und mühevolle Umfahrung angewiesen sind, um das Phoenixgelände zu erreichen.

Source: Google Maps

Source: Designboom

Um die infrastrukturelle Sinnhaftigkeit eines solchen Projektes noch etwas besser zu verdeutlichen zeige ich im folgenden Abschnitt eine Auswahl aus sogenannten Hot Spot „Heat Maps“ der Strava App. Strava ist eine Social Media App für Sportler, die dort ihre Aktivitäten aufzeichnen und mit anderen Teilnehmern teilen. Schon vor der Pandemie hatte Strava über 50 Millionen Nutzer weltweit und mehr als drei Milliarden uploads. Obwohl Strava in Deutschland etwas weniger populär ist als in anderen Ländern ist es dennoch eine App, die von sehr vielen ernsthaft trainierenden Sportlern regelmässig genutzt wird – vor allem von Radfahreren und Läufern. Strava Heat Maps, die die häufigsten Routen der Nutzer zeigen, sind daher ein gutes Indiz für die typischen Routen und Wege der aktivsten Freizeitsportler in einer Region. Je roter eine Route ist desto intensiver wird sie von Radlern, Joggern oder Spaziergängern genutzt. Heat Maps können sowohl für alle Sportarten als auch für einzelne Unterarten separat abgerufen werden. Da der Westfalenpark sowohl Eintritt verlangt als auch das Radfahren innerhalb des abgezäunten Parks strikt verbietet, zeigt die entsprechende Dortmunder Rad Heat Map innerhalb des Westfalenparks also keine einzige rote Linie, sondern statt dessen nur intensive Ränder drumherum:

Source: Strava

Die extrem stark befahrene nierenförmige Schleife am linken unteren Rand ist die Dortmunder Rad Niere, die 1980 als Trainingsstrecke auf einer Brache angelegt wurde, wo Weltkriegstrümmer aufgeschüttet worden waren. Der 798 Meter lange Rundkurs liegt heutzutage inmitten dichter Bewaldung und vermittelt somit auch ohne eine erhöhte Trassenführung ein starkes Gefühl des Inmitten-von-Bäumen sein.

In etwas herausgezoomter Form zeigen sich dann die Global Heat Maps für (Spazieren) Gehen, Laufen (d.h. Joggen) und Radfahren im Innenstadtbereich und in den grüneren, „freizeitfreundlicheren“ südlichen Stadtteile Dortmunds wie folgt:

Global Heatmap Walk Global Heatmap Run     Global Heatmap Bike

Source: Strava.com (Screenshots of Global Heatmaps, Created on 4.4.24)

Wie sich zeigt, scheint sich auch der ein oder andere Spaziergänger oder Läufer auf die Radler-Niere zu verirren. Die “Walk” und “Run” Heat Maps sind mehr oder weniger identisch und sie zeigen auch, dass offensichlich genug Dortmunder oder andere Besucher eine Eintrittskarte für den Westfalenpark kaufen, um den Park als Ort von Freizeitaktivitäten mit einigen roten Linien hervorzuheben wohingegen die Radfahrer, wie im oberen Ausschnitt bereits gezeigt, den Park jedes Mal umständlich umfahren müssen. Radfahrer legen selbstverständlich auch in der Regel sehr viel längere Distanzen zurück. Ein Spaziergang oder kurzer Jog im Westfalenpark macht Sinn aber für eine Radtour am Wochenende wäre der Park weniger geeignet. Wenn es um Freizeitaktivitäten geht, fahren Radfahrer eher weiter hinaus aus der Stadt – idealer Weise auf ausgewiesenen und möglichst kreuzungsfreien Radwegen wie dem Emscherradweg, dem Rheinischen Esel oder entlang des Rhein-Herne Kanals. Die Möglichkeit einer Westfalenparkdurchquerung in Verlängerung der B1-Rheinlanddammüberquerung südlich des Stadewäldchens (welches allerdings genau wie der Rombergpark keine Radfahren erlaubt) wäre in vieler Hinsicht eine wunderbare Erweiterung des bestehenden Grüntrassennetzwerks.

In meinem persönlichen Fall ist mein Lauf- und Fahrradaktionsprofil bestimmt von dem Bestreben, vom Kaiserviertel aus die besten Lauf- und Radstrecken in Richtung Süden zu erreichen.

Strava Personal Heatmap Run   Strava Personal Heatmap Bike

Source: Strava.com (Screenshots of Personal Heatmaps, Created on 4.4.24)

Meine Heat Map zeigt deutlich, dass ich als Nicht-Jahreskartenbesitzerin vom östlichen Innenstadtrand jedes Mal sowohl als Läuferin als auch als Radfahrerin einen bananenhaften Umweg in Kauf nehme, wenn ich mich in Richtung Phoenixgelände oder weiter in den Dortmunder Süden begebe, da der sogenannte „Hundeweg“ als kreuzungsfreier Spazier- und Radweg wesentlich schneller und attraktiver ist, als eine Wegfindung entlang von Autostraßen bzw. um den Westfalenpark herum.

Selbstverständlich ist es nicht vor allem diese persönliche Präferenz weshalb ich denke, dass die Stadt Dortmund Millionen von Euro für eine Radtrasse ausgeben sollte. Es ist aber auf jeden Fall schwierig zu verstehen, wie die Stadt sich langfristig als radfreundlich verkaufen will, wenn die zentralen Grünachsen nahe der Innenstadt nicht von Radfahrern durchquert werden können…

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